ARGENTINIEN

Hauptstadt: Buenos Aires

Einwohner: 43, 866 Mill.

Fläche: 2 780 400 km²

Währung: 1 Peso = 100 Centavos

 BIP pro Einwohner: 14 616 US$

Tag 585   23.10.2013   Salta   Kilometer 26587

Durch die Pampa nach Salta

 

 

Jetzt wird es aber mal wieder Zeit uns zu melden. Ist ja schon eine Weile her. Aber 2 Gründe haben wir für diese lange Pause anzuführen. Internet- und Stromversorgung waren schlecht. Außerdem war wirklich nicht viel los.

Seit wir Puerto Iguazu verlassen haben, hügelten wir zuerst durch die nordöstliche Provinz Missiones in Richtung Süden. In Posadas angekommen wendeten wir unsere Velos nach Westen und machten uns auf, die auch bei uns zu Hause sprichwörtlich bekannte Pampa zu durchqueren.

Wir kamen durch Orte wie Pampa del Guanacos und Pampa de Campo. Auch eine Nacht in Pampa del Infierno haben wir unbeschadet überstanden.

Über 1000 Kilometer war es flach wie Holland, fast 700 Kilometer ging es schnurgerade aus.

Allerdings klappte es mit dem Zelten wieder hervorragend, manchmal hinter Dorfschulen, auf einem Kirchhof oder einfach in der Graslandschaft. Gelegentlich fanden wir sogar Campingplätze für ein paar Pesos.

Außer im Bereich von 1 oder 2 größeren Städten waren die Straßen nur mäßig befahren, hatten aber leider nicht mehr den von uns geschätzten Seitenstreifen, wie z. B. noch in Brasilien. So mussten wir uns die Straße vor allem mit LKWs und Bussen teilen. Eigentlich kein Problem. Allerdings machten die argentinischen Brummichauffeure ihrem schlechten Ruf alle Ehre.

Darauf, wegen einem Fahrrad auch nur ein paar Sekunden vom Gas zu gehen, um das eine entgegenkommende Auto noch durchzulassen, sind sie einfach nicht programmiert. Es wird volle Pulle gehupt und gnadenlos draufgehalten. Sie verlassen sich fest darauf, dass wir mit unseren Schwerlastern noch rechtzeitig auf die eigentlich unbefahrbare und nicht selten gefährliche Bankette springen. Ich sage nur, ein Rückspiegel kann Leben retten.

Wir haben erfahren, dass Argentinien jährlich 10 000 Verkehrstote zu beklagen hat und damit als eines von wenigen Ländern eine Zuwachsrate aufweist.

Kommen uns die Trucker aber entgegen, sind sie so freundlich, dass sie mit Licht hupen und Winken kaum fertig werden. Ich habe sehr oft nicht mehr zurück gegrüßt. So angefressen war ich. Erst grüßen sie und bei nächster Gelegenheit wollen sie uns wieder umbringen!?

Aber okay, alle sind nicht so.

Abseits der Fernstraßen zeigen sich uns die Argentinier allerdings als ein sehr herzliches und angenehmes Volk. Sie sind stets höflich, hilfsbereit und immer zu Scherzen aufgelegt.

 

Typisch ist hierzulande das Mate trinken, wir würden Tee sagen. Die Argentinier haben die Ausrüstung ständig dabei und wirken sehr ausgelassen, wenn sie mit ihren Matebechern und Thermoskanne daherkommen. Das Trinkgefäß besteht aus einem ausgehöhlten Flaschenkürbis, der Kalebasse. Dahinein wird das Matekraut gedrückt und für mehrere Aufgüsse benutzt. Komplettiert wird das oft stylische Equipment durch ein Metalltrinkröhrchen, der Bombilla, mit Siebvorsatz. Ständig wird heißes, aber nicht kochendes Wasser nachgegossen. Es scheint zu schmecken.

 

In der ersten Woche nach den Wasserfällen hatten wir noch täglich 1 000 – 1 500hm. Danach zeigte sich die Pampa gnädig und wir mussten pro Tag nur noch sagenhafte 7 – 25 Höhenmeter bewältigen. Außer an 2 Tagen mit heftigem Gegenwind (da haben wir mittags Feierabend gemacht, aber nicht weiter sagen) hatten wir sehr viel Rückenwind und rollten den Anden entgegen, dass es eine Freude war. Die letzten Tage vor Salta brachten sogar richtig warmes Wetter und Temperaturen von über 30°C.

Das, gepaart mit dem Anstieg nach Salta (1200m) führte wiederum bei Bine zu mir bereits sehr bekannten, verzweifelten Ausrufen. Sie hatte ihren aller, aller schlimmsten Tag seit Reisebeginn. (ich schätze zum 80. mal).

Außerdem hat sie so extrem geschwitzt wie noch nie (ich denke zum 40. mal). Die arme Bine... Und ich dachte immer wir waren gemeinsam in Turkmenistan und Malaysia ... :-)

 

Heute sind wir bereits den dritten Tag in Salta. Die Stadt mit ihren fast 500 000 Einwohnern ist vor allem berühmt für ihre alte spanische Kolonialarchitektur. Sie liegt im Valle de Lerma, am Fuße der Anden in herrlicher Umgebung. Wir fühlen uns auf Anhieb sehr wohl. Die Stadt ist schachbrettartig angelegt, was ja vor allem der besseren Orientierung dient. Uns hilft aber auch das nicht. Verlaufen haben wir uns nämlich trotzdem mehr als einmal. Der Klassiker bei uns geht so: Wir wollen ein Karree ablaufen und legen fest, dreimal links abzuwiegen. Ca. nach dem zweiten mal fragen wir uns dann > war das jetzt schon das dritte mal, oder das erste- oder doch das zweite mal? Und dann geht’s immer schief. Aber zum Glück gibt es ja Stadtpläne oder freundliche Lokals.

 

Im Osten wird die Stadt vom 300m höheren Berg San Bernardo begrenzt. Ihn kann man mit einer Drahtseilbahn oder über 1070 Stufen erklimmen. Aus Trainingsgründen und weil wir ja immer Sparen müssen, sind wir natürlich zu Fuß hoch und runter. War eine tolle Idee. Das Ergebnis war ein mittlerer Muskelkater. Radfahren ist eben doch was anderes. Als wir aber oben waren, hat uns die wunderbare Aussicht über die Stadt und die Andenausläufer im Westen entlohnt.

 

Spontan haben wir in unsrem kleinen, aber feinen Hostel um eine Nacht verlängert. Ich habe mir einen frischen Haarschnitt geholt, Bine's Fahrrad bekam eine neue Kette, die vierte übrigens. Nun noch ein bisschen Faulenzen, Bummeln, stehend Kochen, abends deutsche Nachrichten gucken...

Aber morgen geht es wieder in die Wildnis. Ein bissel haben wir schon Bammel vor den hohen Pässen der nächsten Wochen. Aber noch mehr freuen wir uns drauf.

 

 

Tag 595   02.11.2013   Tupica / Bolivien   Kilometer 27085

Auf ins bolivianische Hochland

 

 

Als wir nach 3 Tagen unserer Fahrt hinauf nach Bolivien in Humahuaca Station machten, fanden wir in unserem Hostel einen Reiseführer der sich mit Superlativen überschlägt, als er über Iruya, einem kleinen Dorf in einem Nebental in den Anden berichtet.

Wir lesen:

Die Lage Iruyas ist sicher eine der eindrucksvollsten auf dem Planeten. Der Ort liegt, eingerahmt von mächtigen Felswänden, am Zusammenfluss des Rios Milmahuasi und Colanzuli auf einer Höhe von 2780m ü NN.

Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen.

 

Um dort hin zu gelangen, mussten wir aber zuerst eine 50 Kilometer lange Busfahrt über eine unasphaltierte staubige Piste überstehen. Die Fahrt ging in 3 ½ Stunden über einen 4 000m hohen Pass, der die Provinzen Salta und Jujuy trennt und hinunter in ein ausgetrocknetes Flussbett, das sich über viele Kilometer einem Canyon hinabwindet. Mehr als 100 steile Serpentinen auf der eigentlich für unser Empfinden für Busse zu schmalen, ruppigen Schotterpiste ließ uns mehrmals den Atem stocken. Natürlich fielen uns die vielen Horrormeldungen über Busunfälle in den Anden ein, bei denen es nur selten Überlebende gibt. Aber schließlich erreichten wir unser Ziel unbeschadet und was wir vor fanden, ließ uns den Gedanken an die morgige Rückfahrt auf dem gleichem Weg vergessen.

 

Wir entdeckten ein Dorf, das so wagemutig zwischen die fast senkrechten Felsen eingezwängt war, dass man fast am Verstand der Erbauer zweifeln muss. Lässt die Errosion nur ein kleines Stück der riesigen Felszacken hinab sausen, genügt es das ganze Dorf auf einmal zu verschlucken. Unser Glück ist aber, dass die ersten Siedler nicht so viele Bedenken hatten und immerhin seit einigen Jahrhunderten Recht behalten.

Bis 2009 war Iruya während der mehrmonatigen Regenzeit vom mächtigen Rio Iruya in zwei Hälften getrennt. Erst dann bekamen die Bewohner zumindest eine Fußgängerbrücke. Jetzt, in der Trockenzeit, ist von dem Fluss nur ein schmaler Rinnsal übrig.

Wir nehmen uns in dem Ort einen Nachmittag und den nächsten Vormittag Zeit. Immer wieder machen wir uns auf, neue Blicke auf das Dorf und seine Kulisse, den viele hundert Meter höheren Bergen zu finden. Schon aus kurzer Entfernung bekommen die paar Häuser, auf dem kleinen nach hinten ansteigenden Plateau, Modelleisenbahncharakter. Es ist fantastisch.

 

Das wir dieses unglaubliche Dorf gefunden haben, ist aber auch Ausdruck eines neuen Problems, oder ist es gar keins? Inzwischen steht der Ort als Geheimtipp in den einschlägigen Guidebooks und wird auch mehr und mehr, vorwiegend von der Backpackerszene, angesteuert. Dieser Umstand hat die Einwohner in dem seit 1640 besiedelten Tal in 2, miteinander verstrittene Lager geteilt. Die einen fürchten um ihre Traditionen und sehen ihre althergebrachte Lebensweise den Rio hinunter gehen. Die anderen sehen darin die Chance, sich mit den Touristen Dollars eine andere Zukunft aufzubauen. In nur 2 – 3 Jahren sind in dem kleinen Pueblo 16 kleine Hostels entstanden. Sogar ein großer Hotelkomplex thront bereits hoch oben.

Bis vor wenigen Jahren haben sich die Bewohner komplett selbst versorgt. Sie lebten nur von dem, was sie dem engen Tal abringen konnten. Sie waren ausschließlich auf ihre eigenen Erzeugnissen angewiesen und galten trotzdem nicht als arm. Wir lasen, dass es hier hier fast normal ist, über einhundert Jahre alt zu werden. Aber nun kommt ja der Fortschritt...

 

Begeistert waren wir aber nicht nur von unserem 2 - Tagestrip nach Iruya.

 

Von Salta, auf 1200 über NN bis zur bolivianischen Grenze sind es ca. 350 Kilometer. Noch 100 Kilometer vorher erreichten wir am vierten Tag unseren bisher höchsten Andenpass mit 3780 Meter über dem Meeresspiegel. Die Auffahrt war allerdings sehr angenehm. Auf der wenig befahrenen Routa Nacional N° 9 konnten wir fast immer die herrliche und friedvolle Umgebung genießen. Nur selten hatten wir mit steilen Rampen zu kämpfen. Am Rand grasten Lamas, bis in eine Höhe von 3300m gab es unglaublich viele und riesengroße Kakteen. Aber noch höher war plötzlich Schluss damit.

Inzwischen haben wir Argentinien verlassen und blicken fast ein bisschen wehmütig auf das wunderbare Reiseland zurück. Uns hat es sogar besser gefallen als Brasilien. Wer hätte das gedacht.

Allerdings hat uns Bolivien mit seiner typischen Andenkultur und den herrlichen Farben sehr gut aufgenommen. Auf der Fahrt von der Grenze nach Tupica, der ersten Stadt in Bolivien, haben wir bei guten Bedingungen sogar noch einmal eine 100 Kilometeretappe geschafft, wir vermuten aber, dass es vorläufig die letzte lange Etappe war.

An die Höhe konnten wir uns durch den mehrtägigen Aufstieg ganz gut gewöhnen. Gelegentliche Schnappatmung und manchmal erschreckend leere Beine erinnern uns aber immer mal daran, dass wir uns nun ständig auf über 3000m befinden. Und die wirklich hohen Pässe kommen ja noch. Mal sehen wie das wird. Wir sind sehr gespannt.