BOLIVIEN

Hauptstadt: Sucre

Einwohner: 10, 969 Mill.

Fläche: 1 098 581 km²

Währung: 1 Boliviano = 100 Centavos

 BIP pro Einwohner: 2 700 US$

Tag 603   10.11.2013   Uyuni   Kilometer 27290

Am Salar de Uyuni – dem größten Salzsee der Erde

 

 

Als sich der Salar de Uyuni, der größte Salzsee der Erde vor uns ausbreitete, stoppten wir spontan und versuchten mit unseren Augen die unermessliche Weite der weißen Fläche zu erfassen. Eingrenzen konnten wir sie aber nicht. Die unzähligen Jeeps, die mit den vielen Touristen auf dem See, auf Mehrtagestouren unterwegs waren machten uns zwar deutlich, dass wir an einem Hotspot waren. Aber auch sie verloren sich in der unvorstellbaren Weite.

Aber der Reihe nach.

Die ersten 100 Kilometer in Bolivien waren wir geradelt. Dann folgte auf dem Weg nach Uyuni eine 200 Kilometer lange Strecke, die uns schon Tage vorher gehörig Kopfzerbrechen bereitete.

Von anderen Radfahrern wussten wir, dass sie für die ersten einhundert Kilometer 4 ! Tage benötigt hatten, an denen sie auf übler Schotterpiste wahrscheinlich mehr geschoben haben, als sie fahren konnten. Bei ständigem Auf und Ab, oft über 4 000m Höhe, war die Versorgung nicht nur problematisch, sondern manchmal sogar kritisch. Essen für diese Distanz zu bunkern ist nicht das Problem, aber Wasser für mehr als einen Tag unter diesen Umständen mitzunehmen ist eine Zumutung. Als wir erfuhren, dass man diese Strecke auch mit dem Zug absolvieren konnte schwankten wir noch einige Tage. Dann ließen wir doch der Vernunft den Vortritt und nahmen den alle 2 Tage verkehrenden Nachtzug nach Uyuni.

Getragen wurde diese Entscheidung aber auch von neuesten Entwicklungen in Erfurt, die uns dringend anraten, im nächsten Frühjahr bei bester Gesundheit nach Hause zu kommen.

 

Außerdem sind in Bolivien, einem der ärmsten Länder der Welt, nur wenige Hauptstraßen asphaltiert und halten somit auch für uns noch genug Pisten bereit. Eine davon mussten wir auch gleich absolvieren, als wir von der Stadt Uyuni zum gleichnamigen Salzsee fuhren. Auf der gefürchteten Welblechpiste, unterbrochen von tiefen Sandpassagen, benötigten wir für die 20km 2 ½ Stunden, waren fix und fertig und sahen aus wie ein Bäcker der ins Mehl gefallen war, nur eben braun statt weiß.

Der Salzsee entschädigte uns aber reichlich. Mit einer Ausdehnung von ca. 160 x 135 Kilometern und einer Fläche von über 10 000 km², hat er immerhin 2/3 der Fläche Thüringens. Mittendrin liegt die Insel Incahuasi, die unser Tagesziel sein sollte.

Völlig unwirklich umgeben von dem unendlichen Weiß, besticht sie in einer Bucht mit einigen kleinen Natursteinhäusern und riesigen, bis zu 20 Meter hohen Kakteen, von denen manche sagenhafte 1200 Jahre alt sind.

Das skurrilste sind aber die vielen Korallenbänke, die davon zeugen, dass die Insel, jetzt auf 3650m ü. NN, in grauer Vorzeit einmal Meeresboden war.

Auf den 75km bis zu dem Eiland, waren die ersten 25 Kilometer der steinharten Salzoberfläche noch sehr ruppig und unsere Fahrräder und wir fühlten uns wie Schüttel – Shakes. Die restlichen 50 km waren sehr glatt und ließen sich richtig gut fahren. Allerdings braucht man eine gewisse Zeit um sich daran zu gewöhnen, dass der Untergrund nicht rutschig, sondern im Gegenteil, sehr griffig ist.

Die Kruste vermittelt optisch den Eindruck, als hätte es gerade geschneit oder als befände man sich auf einer festgefahrenen oder gar vereisten Schneedecke.

Die Spitze unserer Zielinsel sahen wir bereits 30 Kilometer vorm Erreichen. Sie zu finden war für uns natürlich kein Problem. Mit GPS und selbstverständlich Karte und Kompass bewegten wir uns auf sicherem Terrain. Schließlich waren wir zu seiner Zeit begeisterte Teilnehmer beim „Manöver Schneeflocke“ und beide Träger des Goldenen Schneemanns. Wisst ihr noch? :-)

Die vielen Touristen in ihren Jeeps verließen die Insel am späten Nachmittag wieder. Motorrad- und Velofahrern ist es aber erlaubt dort zu campen. Am nächsten Tag, auf der Rückreise nach Uyuni, genossen wir noch einmal die völlige Stille und die einmalige Atmosphäre auf dem See.

Aber noch eine Warnung. Trotz Besonderer Vorkehrungen, wir hatten uns unsere Buffs oft bis über die Nase gezogen und natürlich auch reichlich Sonnencreme benutzt, hatten wir uns die Gesichter und ich sogar noch meine Unterlippe ziemlich übel verbrannt.

 

 

Tag 616   23.11.2013   Oruro   Kilometer 27831

Atemlos wieder hinab zum Altiplano

 

 

Eine Stadt wie Potosi hätten wir mitten in Bolivien nicht erwartet. Seit über zwei Wochen waren wir bereits in unserem neuen Reiseland und hatten uns daran gewöhnt, in einem der ärmsten Länder der Welt unterwegs zu sein. Auf dem Land waren Lehmhäuser mit Strohdach, im Adobestil, in teilweise erschreckendem Zustand vorherrschend. Die 2 Städte, die wir bisher sahen, hatten zwar Steinhäuser. Aber insgesamt machten sie auch einen sehr trostlosen Eindruck.

Und als wir nun die Altstadt von Potosi erreichten, waren wir plötzlich in einer anderen Welt. Sofort fühlten wir uns an spanische und italienische Städte erinnert.

Neben 20 Kirchen gab es eine Kathedrale, vor ihr einen Park, umgeben von prunkvollen Regierungsgebäuden. Unzählige Gassen mit alten Bürgerhäusern laden zum Spazieren ein. Das ganze Ensemble ist sehr gut erhalten. Es macht wirklich Spaß.

Potosi, so lesen wir, hat heute 240 000 Einwohner und ist nach La Paz mit 4065 Meter über dem Meeresspiegel, die zweithöchstgelegene Großstadt der Welt. Ihre Existenz verdankt sie den überreichen Silbervorkommen, die die Spanier in einem riesigen, kegelförmigen Berg, dem Cerro de Potosi, hinter der Stadt Mitte des 16. Jahrhunderts entdeckten.

Für Kaiser Karl V., der damals auch über Spanien herrschte, kam dieser Silberregen gerade recht. Innerhalb kürzester Zeit war Potosi die schnellstwachsenste Stadt Amerikas. Die indigenen Hochlandbewohner wurden zu Tausenden in die Stollen getrieben um sich zu Tode zu schuften. Die Konquistadoren füllten ihre Taschen und die spanischen Schatzkammern und bauten ihre Stadt.

1650 hatte Potosi 160 000 Einwohner, mehr als in jener Zeit Madrid, Rom oder Paris!

Heute ist das Silber längst ausgebeutet. Nur wenig Zinn und Zink sind noch abbauwürdig und werden immer noch unter unvorstellbar schlechten Gesundheitsbedingungen von den Bergarbeitern und ihren Familien gewonnen.

 

Vor und nach Potosi hieß es für uns allerdings, Radeln unter körperlichen Extrembedingungen in unglaublich schöner Bergwelt. Ständig stoppten wir. Mal um die einzigartige Landschaft zu bestaunen, mal um wieder zu Atem zu kommen. Immer wieder klickte unser noch verbliebener Fotoapparat, angesichts der beeindruckend farbigen Berge. Wir bestaunten die steil aufragenden Felsen und die tief hinabfallenden Schluchten und waren uns einig, dass wir diese Szenarien nicht auf die Festplatte bekommen würden.

Sehr oft mussten wir aber auch anhalten, um der Höhe Tribut zu zollen. Vor allem der erste Abschnitt, die 200 Kilometer von Uyuni bis Potosi, setzte uns gehörig zu. Ziemlich schnell, innerhalb von nur 20 Kilometern, stiegen wir von 3670m auf über 4200m. Als wir kurz danach ein kleines Bergarbeiterdorf erreichten, machten wir direkt Feierabend. Die nächsten Tage ging es Stück für Stück besser. So erreichten wir am vierten Tag die Stadt.

Auch nach Potosi hatten wir mehrere 4 000er Pässe vor uns. Als wir beim vorletzten sahen, wie steil es die letzten Kilometer hinauf gehen sollte, verließ uns der Mut und wir organisierten uns eine LKW Mitfahrt.

Den letzten Pass, er sollte mit 4350m ü. NN unser höchster werden, erradelten wir wieder. Die Auffahrt zeigte sich uns allerdings sehr gnädig. So suchten wir uns ein Tempo (ganz langsam) bei dem wir nicht allzu oft halten mussten. Als wir oben ankamen vermissten wir abermals ein Passschild, waren aber trotzdem Stolz wie die Spanier.

Inzwischen sind wir wieder zurück auf der ca. 3750m hohen Hochebene, dem Altiplano und weiter auf dem Weg nach Norden, nach La Paz.

Die ungewohnte Höhe spüren wir immer noch. Allerdings müssen wir uns nicht mit den unangenehmsten Symptomen herumplagen. Andere Reisende berichten auch über Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen, massiven Schlafproblemen und Verwirrtheit. Letzteres ist bei uns zumindest nicht schlimmer als im Flachland .

Nach einem Pausetag in Oruro, einer 260 000 Einwohnerstadt, müssen wir uns nun sputen. Am 30. November läuft unser Visum ab und wir können es nur in La Paz verlängern.

Aber in 3 - 4 Tagen müssten wir dort sein.

Bis dahin

Hasta Luego Amigos

 

 

Tag 625   02.12.2013   La Paz   Kilometer 28147

La Paz

 

 

Die Strecke von Oruro nach La Paz schafften wir sogar in 2 ½ Tagen. Es ging zwar stetig bergauf, aber mit sehr moderater Steigung.

Wir wussten bereits, dass der Gegenwind im Laufe des Tages mehr und mehr auffrischt und nahmen uns jeden Tag vor am kommenden zeitiger zu starten. Leider sind aber Aufstehen mit den Hühnern und zügiges Frühstücken nicht unsere Schokoladenseiten. Aber immerhin schafften wir es kurz nach 8 Uhr auf dem Sattel zu sitzen.

Der Wind war aber trotzdem manchmal auf unserer Seite und drehte unvermittelt zwischen den Bergen. So hatten wir gelegentlich sogar etwas Rückenwind.

 

Am dritten Tag standen wir gegen Mittag an der Kante, der wie der Rand einer großen Obstschüssel La Paz umschließt. Der Stadtkern selbst liegt über 500m unter uns. Da aber, genau wie in Rio de Janeiro, im Laufe der Jahrzehnte und bis heute andauernd, die Stadtrandviertel immer weiter die Berge hinauf gebaut werden, manche sind schon oben angekommen, ergibt sich das sehr beeindruckende, typische La Paz Panorama. Zu bemerken ist aber auch eindeutig, dass der soziale Status mit nach oben schreitender Höhe signifikant abnimmt.

Die bedeutendste Stadt Boliviens liegt auf einer Höhe von 3600 Meter bis 4100 Meter und ist somit die höchstgelegene Großstadt und höchster Regierungssitz der Welt.

Aber vor allem ist es eine sehr charmante Stadt. Im Touristenviertel finden wir ein schönes Hostel. Ringsumher gibt es unzählige Gassen voller Menschen und den typischen Freiluftmärkten in den unverkennbaren bolivianischen Farben. Jeder scheint etwas zum Verkaufen zu haben. Man kann von der Haarklemme bis zum Großbildfernseher alles kaufen.

Aber vor allem natürlich die typischen bolivianischen Taschen, Mützen, Pullover, Hosen...

Am besten gefielen uns aber die vielen Obst- und Gemüsemärkte. Sie sind fest in der Hand der traditionell gekleideten Frauen mit ihren tollen Hüten und den langen schwarzen Zöpfen.

 

Auch einen Hexenmarkt gibt es, wo rituelle Waren aller Art zu haben sind. Natürlich kann man sich hier auch die Zukunft deuten lassen oder mit Verstorbenen Kontakt herstellen.

 

Bevor wir aber La Paz wieder verlassen, hatten wir noch ein besonderes Highlight auf dem Plan. In der Nähe befindet sich die gefährlichste und bestimmt auch die spektakulärste Straße der Welt, die Yungasabfahrt oder auch El Camino de Muerte genannt.

Hier bricht der Ostrand der Cordillera Real ins Beni – Becken ab und hat dieses spektakuläre Tal geschaffen.

An diesen Bruchkanten ist über 65 Kilometer eine Straße in die teils senkrechten Felsen gemeißelt. Diese Serpentinen runter zufahren, gilt als das bolivianische Andenerlebnis überhaupt.

In nicht mal einem halben Tag durchfährt man fast alle Klimazonen und alle Vegetationszonen. Wir starteten in 4670m am Passo La Cumbre, umgeben von schneebedeckten Gipfeln in 4 Schichten gehüllt und stürzen uns hinab bis in das Yungasnest Yolosa in 1200m über dem Meeresspiegel. Als wir dort unten im tropischen Regenwald ankommen schwitzen wir nur noch in Shirt und kurze Hose hinein.

Möglich ist diese Tour nur mit einer örtlichen Agentur. Wir bekommen ein Fully – Mountainbike, voll gefedert, was ist das denn??

Außerdem Integralhelm und Schutzkleidung. Mit einem Minibus geht es hoch zum Pass und dann nur noch hinab. Nach kurzer Eingewöhnung fühlen wir uns sehr gut mit unseren „neuen Fahrrädern“, wobei wir sagen müssen, dass wir nicht in Verdacht stehen, gute Mountainbiker zu sein. Ich kenne da einige Geraer, die diesen Kurs richtig genossen hätten. Wir waren schon sehr mit uns selbst beschäftigt.

Aber, wir lasen auch, dass diese Strecke nicht zu unterschätzen ist. Genau das kostet immer wieder Menschenleben, seien es Fahrradtouristen oder ganze Autobesatzungen. Deshalb war es uns auch verboten unterwegs selbst zu fotografieren. Diese Ablenkungen führten schon oft zu tödlichen Stürzen in die Tiefe.

Außerdem bekamen wir von unserem Guide eine sehr gute Einweisung, auch unterwegs warnte er uns immer wieder vor besonders gefährlichen Situationen wie verschlammte Passagen, Haarnadelkurven, besonders schmale Stellen oder sehr losem Untergrund.

Zu Bines Entsetzen galt aber auch die Regel, das wir, bergab fahrend, immer links fahren mussten, also immer am Abgrund entlang. Der Gegenverkehr, und es kamen schon einige LKWs und Kleinbusse, fuhr immer Innen. Wir stoppten zur Sicherheit jedes mal und mussten uns mit unseren Fahrrädern an die Kante stellen und die Fahrzeuge passieren lassen. Wir wagten manchmal kaum zu atmen, bis sie vorbei waren.

Am nächsten Tag nahm sich Bine die Zeit, diese Tour im Internet nach zu recherchieren. Je mehr sie darüber las und Bilder sowie Videos anschaute, desto höher stellten sich ihre Haare auf. (Okay, sie waren vll auch nicht frisch gewaschen). Im nach hinein war sie schon froh, dass sie das nicht alles vorher gewusst hat.

Auf jeden Fall war diese Tour ein Klasse Erlebnis. Wir würden es sicher weiter empfehlen. Wir raten aber unbedingt mit dem nötigen Respekt ran zu gehen und Selbstüberschätzung zu vermeiden.