CHINA

Hauptstadt: Peking

Einwohner: 9 571 302 Mill.

Fläche: 1 373 541 278 km²

Währung: 1 Yuan = 100 Fen

BIP pro Einwohner: 7 572 US$

Tag 211   15.10.2012     Korla     Kilometer 10311

 

 

 

Eine ganz schön Wüste Angelegenheit

 

Schnell vergingen in Kashgar die geplanten 2 Stadttage. Man kann auch echt faul werden wenn das Leben auf einmal so einfach ist. Waschmaschine, Dusche, Küche und sogar prima WIFI. Alles inklusive. Außerdem ist das Youth Hostel ein richtiges Nadelöhr, durch das scheinbar alle Reisenden aus aller Herren Länder hindurch müssen. Egal ob von West nach Ost oder in umgekehrter Richtung. Und das macht so einen Aufenthalt natürlich richtig interessant.

Aber nachdem wir um noch einen Tag und noch einen Tag verlängert hatten, packten wir doch wohlgemut unsere sieben Sachen und verließen Kashgar um der nördlichen Seidenstraße entlang der Taklamakanwüste zu folgen.

 

Was sich uns die kommenden 1 ½ Wochen auf der Strecke nach Korla offenbarte lässt sich leicht zusammen fassen. Links karge Felsen des Tien Shan Gebirges, in der Mitte unsere Straße, dann der Bahndamm und rechts die Wüste, die sich im Norden aber nicht als Sanddünen- sondern als Steinwüste zeigte.

Obwohl die Luft sehr trocken ist konnten wir meistens nur einige Kilometer weit sehen. Dann wirkt es diesig. Allerdings nicht von Feuchtigkeit hervorgerufen, sondern von Sand und Staub.

Unterbrochen wurde diese Einöde nur sporadisch durch völlig verstaubte, vermüllte und heruntergekommene Siedlungen mit einigen höhlenartigen Minimärkten und Garküchen, sowie wenigen erwähnenswerten Städten.

Das war aber auf den 1000km dieser Etappe nach Korla nicht wirklich abwechslungsreich. Als dann am dritten Tag der Gegenwind gehörig Schwung aufnahm, beschlossen wir ein ansehnliches Stück dieser Strecke mit dem Bus zurück zu legen. Außerdem haben uns die Schlafbusse, die man oft in China sieht, schon die ganze Zeit gereizt. Zusammenfassend lässt sich darüber sagen, die Betten sind sehr schmal, etwas zu kurz aber wir haben trotzdem gut darin schlafen. Man darf aber kein Problem damit haben das dass Bettzeug nicht bezogen ist und Gott weiß wann zum letzten mal gereinigt wurde.

Das war auch bestimmt nicht das letzte Teilstück mit Bus oder Bahn. China ist einfach zu groß. Hinzu kommt noch, dass wir durch Willkür nur ein 25-Tage Visum erhielten und wir dies auch nur zweimal um diese Anzahl von Tagen verlängern können.

Das soll für uns aber kein Grund sein zu hadern. Wir wissen das andere Reisende grundlos nur 15 Tage oder gar kein Visum bekamen. So haben wir immerhin 75 statt 90 Tage. In dieser Zeit sollten wir China und die Chinesen gut genug kennengelernt haben. Schließlich legen sie ein paar unappetitliche Eigenheiten an den Tag, die wir schon jetzt nicht mehr überhören können. So sehr wir uns auch mühen ;-).

 

In Kuqa angekommen bestiegen wir wieder die Räder und pedalten weiter Richtung Osten. In den letzten drei Nächten vor Korla ergatterten wir in kleinen Oasen sogar Schlafplätze auf Obstplantagen. So hatten wir dreimal hintereinander eine Wiese als Untergrund. Unser Zelt wundert sich noch immer über diese softe Extrabehandlung. Das gab es ja schon lang nicht mehr. Aber auch Bine fand es Klasse, dass nicht jede noch so kleine Bewegung in unserem Camp eine wabernde Staubwolke auslöste, die sich dann unbarmherzig auf all unsere Sachen niederschlägt.

Und ganz nebenbei hatten wir kurz nach Kuqa noch ein kleines Jubiläum. Auf unseren Tachos machte es Bing (hat es natürlich nicht gemacht) und plötzlich waren 10 000 Kilometer voll. Selbstverständlich reine Fahrradkilometer. Bus und Auto zählen wir nicht mit.

 

 

Tag 220   24.10.2012   Turpan  Kilometer 10703

 

 

 

Auch Brücken sollte man bisweilen von der anderen Seite betrachten

 

Es ist Hebst geworden, auch in Westchina. Hat es morgens die Sonne endlich geschafft sich vom Horizont los zureißen, ist sie noch 2 -3 Stunden damit beschäftigt die Feuchtigkeit der Nacht zu verdampfen.

An der Innenwand unseres Außenzeltes bildet das Kondenswasser lustige Tropfenmuster, auf die wir gerne verzichten würden. Vielleicht ein Nachteil unserer Behausung, die wir sonst nur loben können. Der Lüfter am Fußende erscheint uns zu klein.

Auch auf unseren Schlafsäcken perlt ein wenig Feuchtigkeit. Aber sie während des Frühstücks zu trocknen funktioniert nicht mehr. Die kraftlose gelbe Scheibe am Himmel schaut wie durch Milchglas auf uns herab, ihr mangelt es an der nötigen Energie. Das muss die Mittagssonne erledigen.

Es ist auch nur noch über die Mittagszeit angenehm warm. Nachmittags kühlt es schnell ab. Da heißt es, wenn wir abends unseren Schlafplatz gefunden haben, zügig Kochen und Duschen. Idealerweise verschwinden wir mit der letzten Dämmerung im Zelt.

 

Unsere Camps werden auch immer skurriler. In China sind wir mangels Alternativen schon hunderte Kilometer Autobahn gefahren. Und ich habe schon mehrmals, die Stimme erhebend, den Zeigefinger Richtung Himmel streckend, seherisch zu Bine gesprochen: „Die Nacht wird kommen, in der wir unter der Autobahnbrücke schlafen müssen“. Und sie kam tatsächlich, gleich zweimal hintereinander.

Man muss sich vorstellen, dass die komplette Trasse mit Stacheldraht eingezäunt ist und die Ausfahrten ewig weit auseinanderliegen. Und selbst wenn man einen Ausgang findet, sieht es mit Schlafplätzen sehr schlecht aus. Die ganze Gegend ist flach wie Brett, mit höchstens kniehohen Dornenbüschen. Brücken gibt es aber, wegen dem alljährlichen Schmelzwasser aus dem Tienshangebirge, in teilweise sehr kurzen Abständen.

Als wir abends nicht mehr erwarten konnten, dass sich eine Oase ins Blickfeld schiebt, raunten wir uns resignierend zu: „Die nächste Brücke in passender Größe nehmen wir“. Kaum hatten wir eine für gut befunden, ging's mit den Fahrrädern und dem Gepäck über die Leitplanke und die Böschung hinab. Und schon waren wir für die Augen aller Autofahrer, einschließlich Polizisten, verschwunden.

So zählten wir unter der Fahrbahn beim ersten mal die halbe Nacht LKWs. Unter unserer zweiten Brücke war es bedeutend ruhiger... von oben. Der Wind pfiff aber mit Windstärke 12 hindurch und rüttelte gewaltig an unserem Zelt.

 

Aber wie immer änderte sich plötzlich alles. Am darauffolgenden Nachmittag tauchte wie aus dem nichts eine Oase mit großer Nashibirnen- Plantage (schreibt man das so?) für unser Zelt und kleiner Gastronomie auf. Und der Hammer war: Es gab Hefeklöße ( Germknödel ) zum Diner. Guten Appetit.

 

 

 

Tag 225   29.10.2012     Jiayuguan  Kilometer 10719

 

 

 

Next Level: Busnomaden

 

Auf den nächsten Streckenabschnitten ließen wir uns die Wüste an unseren Panoramabusfenstern in rasender Geschwindigkeit vorbeischieben. Und als wir auf diese Weise feststellten, dass die Einöde sich auch bis nach Jiayuguan in der Provinz Gansu erstreckt, bereuten wir unseren Entschluss keineswegs. Außerdem bekamen wir so auch Freiraum für unser Touristenprogramm.

Aber der Reihe nach.

 

Als wir die Turpan-Senke und die gleichnamige Stadt erreichten, hatten wir einen besonderen Flecken Erde unter unsere Reifen bekommen. Hier befanden wir uns in dem Becken mit der dritt tiefsten Stelle der Erde. Der tiefste Punkt in dieser Depression liegt 155 Meter unter dem Meeresspiegel. Leider war dieser Superlativ aber von keinem Spektakel begleitet. Hätten wir von diesem Umstand nichts gelesen, hätten wir ihn bestimmt nicht einmal bemerkt.

 

Und weil das Busfahren nun einmal so schön ging, unternahmen wir gleich noch einen Abstecher nach Dunhuang und konnten nun endlich die Provinz Xinjang hinter uns lassen. Die Provinz Gansu wartete auch gleich mit einem ansehnlichen Touristenprogramm auf.

Südlich von Dunhuang bewunderten wir die mit 200 Metern höchste Sanddüne Chinas. Außerdem befindet sich hier der wirklich unbeschreiblich malerisch gelegene Mondsichelsee. Der sehr kleine, fast komplett von hohen Sanddünen umschlossene See, wirkt so extrem von den Sandmassen bedroht, dass wir am liebsten selbst eine Schaufel genommen hätten um der übermächtigen Gefahr entgegen zu schaufeln.

 

Am nächsten Tag warteten schon die Mogao-Grotten, auch Tausend-Bhudda-Grotten genannt, auf unsere Besichtigung.

Inzwischen ist es sehr touristisch. Auch die Preise. Da wir die einzigen Ausländer von über 2000 Tagesgästen waren, bekamen wir sogar eine Privatführung auf Englisch. Das verlangte natürlich volle Konzentration von uns.

Sehr beeindruckend war die hohe Anzahl der Grotten. Aber die Höhepunkte, im wahrsten Sinne des Wortes, waren natürlich der dritt- und der viertgrößte Buddha Chinas. Wobei der größere stattliche 35 Meter hoch ist und geraaade so in seine Höhle hineinpasst. Ansonsten erfuhren wir viel über das Leben der Buddhas und den Legenden, die natürlich im Buddhismus genauso verwurzelt sind wie in allen anderen Religionen. Das Fotografieren war in den Höhlen allerdings verboten.

 

Und schon saßen wir wieder im Bus nach Jiayuguan und erholten uns unserem nächsten Highlight entgegen. Elias, ein Radfahrer aus Paris, mussten wir leider in Dunhuang zurücklassen. Seit Turpan waren wir gemeinsam mit dem lustigen Franzosen unterwegs.

 

 

 

In Jiayuguan besichtigten wir die Chinesische Mauer samt Festung. Natürlich ist auch das Bestandteil des UNESCO Weltkulturerbes. Der Jiayu-Pass markiert das westliche Ende dieses gigantischen Bauwerkes. Wer allerdings die atemberaubensten Bilder der Großen Mauer im Kopf hat, könnte hier vielleicht enttäuscht werden. Die ganze Wüstenumgebung und auch das Bauwerk an sich wirken leider nicht ganz so erhaben.

Tag 233   06.11.2012   Chengdu  Kilometer 11004

 

 

 

Auf Rekordjagd

 

Als wir am Morgen unseres 229. Reisetages wach wurden, ahnten wir noch nicht, dass uns ein besonderer Tag bevorstand.

Zunächst spielten wir aber das übliche Spiel: Wer steht bei der Saukälte zuerst auf und schmeißt den Kocher an. Bis der Gewinner feststeht vergeht meist noch eine halbe Stunde. Es ist aber auch sowas von kuschelig warm in unseren Schlafsäcken. Aber es hilft ja nichts.

Schließlich frühstückten wir bei einigen Minusgraden unterhalb eines 2600 Meter Passes, den wir gestern Abend mit Mühe und erst kurz vorm Dunkelwerden überquerten.

 

Beim verlassen der Senke, in der wir lagerten, bemerkten wir einen ziemlich markanten Nordwind. Da wir in südliche Richtungen unterwegs waren frohlockten wir über die doppelt guten Aussichten. Rückenwind und noch einige Kilometer Passabfahrt, obendrein sogar strahlender Sonnenschein.

Die Abfahrt ging zwar, wie immer viel zu zeitig, in leichtes Gefälle über. Der Rückenwind blieb uns aber den ganzen Tag treu und nahm sogar noch etwas zu.

So hatten bereits am zeitigen Nachmittag unser Tagesziel Wuwei, in 120 Kilometer Entfernung erreicht. Und das mit einem sagenhaften Schnitt von 28 km/h. Wahnsinn. Keine Ahnung ob wir den Rekord mit unseren Schwertransportern noch einmal toppen können. Auf jeden Fall haben wir damit die Latte ganz schön hoch gelegt.

Bei einsetzendem Schneefall versuchte ich Bine noch zu überreden weiter zu jagen. „Heute ist der Tag für 200 Kilometer. Wenn nicht jetzt wann dann?“

Aber als wir gut durchgefroren endlich ein Hotel fanden und der Wind in einen Schneesturm übergegangen war, der seinem Namen alle Ehre machte, war ich allerdings einmal mehr froh auf sie gehört zu haben. Außerdem genügt bestimmt ein Rekord pro Tag.

 

Über die Zwischenstation Lanzhou sind wir dann schließlich in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, angekommen.

 

Das Busfahren ist in China tatsächlich kein Problem, von einigen Kleinigkeiten abgesehen. Es ist sehr preiswert, obwohl Bahnfahren noch billiger sein soll. Aber auch komplizierter.

Wir bezahlten pro 500 Kilometer Busfahrt ca. 40 – 45€. Und das inklusive der Fahrräder und dem ganzen Gepäck. Wobei wir den Preis für letzteres immer direkt mit dem Fahrer aushandeln mussten. Bei diesen Feilschereien ging es zwar meistens zu wie auf einem Basar, dass sehen wir inzwischen aber relativ entspannt.

Die Busse absolvieren riesige Distanzen auf tadellosen Autobahnen. Unsere längste Strecke war glatte 1000 Kilometer.

Leider benehmen sich die Chinesen auch hier nicht besser als sonst. Die Fahrer verteilten immer mehrere Mülleimer im Gang. Trotzdem schmückten jede Menge Verpackungskram, Essensreste und alles was die Chinesen glauben unbedingt ausspucken zu müssen den Boden. Es ist unglaublich.

An die Unart des lautstarken Ausrotzens, egal ob auf der Straße oder im Restaurant, haben wir uns natürlich nicht gewöhnt, obwohl es allgegenwärtig ist. Aber insgeheim haben wir natürlich gehofft, dass es im Bus, auf engstem Raum, besser ist. Aber denkste. Sabine zuckte jedes mal zusammen wenn ihr Hintermann geräuschvoll und genüsslich seine oberen Atemwege freibließ und das so gewonnene Komprimat auf den Boden beförderte.

Als wir unser Ziel erreicht hatten, sah es von vorn bis hinten aus wie auf einer Müllhalde. Eltern lassen ihre Kinder in einen Papierkorb oder sogar auf die Stufen des Hinterausganges pullern. Obwohl eine Toilette an Bord ist.

 

Umso mehr freuen wir uns, dass das Busfahren nun ein Ende findet und wir wieder mit unseren Eisernen Gefährten den Süden Chinas erkunden können.